Fristen im Schweizer Konkursverfahren – Ein praktischer Überblick

Das schweizerische Konkursrecht ist ein zentraler Bestandteil des Zwangsvollstreckungsrechts. Es regelt, wie zahlungsunfähige Schuldner abgewickelt und Gläubiger befriedigt werden.

Fristen bestimmen den Takt des Verfahrens. Sie geben vor, bis wann bestimmte Verfahrensschritte eingeleitet werden müssen und welche Rechte oder Pflichten daran geknüpft sind. Werden Fristen verpasst, drohen Rechtsverluste, sowohl für Gläubiger als auch für Schuldner.

Das schweizerische Konkursrecht ist geprägt von strikten Fristen, die sowohl für Gläubiger als auch für Schuldner von entscheidender Bedeutung sind. Die Fristen dienen der Rechtssicherheit und gewährleisten einen geordneten Ablauf des Konkursverfahrens. Wer diese Fristen verpasst, riskiert erhebliche rechtliche und finanzielle Nachteile. In diesem umfassenden Beitrag beleuchtet Paralegal Christina Ciaravolo die wichtigsten Fristen im schweizerischen Konkursrecht und deren praktische Bedeutung.

Gesetzliche Grundlage

Das Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz (SchKG) bildet die Grundlage für alle Konkurs- und Betreibungsverfahren in der Schweiz. Es regelt die Zuständigkeiten, Abläufe sowie die im Konkursverfahren relevanten Verfahrensfristen, von der Einleitung des Konkurses bis hin zur Liquidation.

Daneben können auch andere Fristen eine Rolle spielen, etwa materiellrechtliche Verjährungsfristen oder durch die Zivilprozessordnung (ZPO) bestimmte Fristen, die nicht unmittelbar im SchKG selbst geregelt sind. Diese Übersicht hat die SchKG-Fristen zum Thema.

Arten von Fristen im Konkursrecht

Im Konkursrecht unterscheiden wir grundsätzlich drei Fristentypen:

  • Gesetzliche Fristen
    Diese sind direkt im Gesetz vorgeschrieben und nicht veränderbar. Beispiel: 15 Monate für das Stellen eines Konkursbegehrens (Art. 166 Abs. 2 SchKG).

  • Gerichtliche Fristen
    Sie werden vom Gericht im Rahmen eines Verfahrens angesetzt. Beispiel: Fristen für Rechtsmittel (Art. 17 ff. SchKG).

  • Behördliche Fristen
    Diese Fristen werden von der Konkursverwaltung gesetzt, z. B. im summarischen Verfahren im Zirkular kommunizierte Bedenkfristen für die Abgabe eines Höherbietungsrechts.

Fristen vor der Konkurseröffnung: Zahlungsbefehl, Konkursandrohung und Konkursbegehren

Der erste konkrete Schritt im Konkursverfahren beginnt mit dem Zahlungsbefehl. Daraus ergeben sich mehrere wichtige Fristen:

  • Konkursandrohung:
    Bleibt der Zahlungsbefehl erfolglos, kann der Gläubiger die Konkursandrohung verlangen (Art. 88 i.V.m. Art. 159 SchKG).

  • Konkursbegehren:
    Der Gläubiger kann frühestens 20 Tage nach Zustellung der Konkursandrohung das Konkursbegehren stellen (Art. 166 Abs. 1 SchKG).

  • Verwirkungsfrist:
    Das Recht, ein Konkursbegehren zu stellen, erlischt 15 Monate nach Zustellung des Zahlungsbefehls (Art. 166 Abs. 2 SchKG). Diese Verwirkungsfrist wird allerdings unterbrochen, wenn ein durch Rechtsvorschlag ausgelöstes Gerichtsverfahren hängig ist (etwa durch definitive oder provisorische Rechtsöffnung oder An- und Aberkennungsverfahren) und läuft erst nach dessen rechtskräftigem Abschluss weiter.

Wird die 15-Monats-Frist versäumt, kann kein Konkursbegehren mehr gestellt werden.

Rechtsmittel und Beschwerdefristen im Konkursverfahren

Für ein funktionierendes Rechtsschutzsystem braucht es klare Fristen für Beschwerden und Rechtsmittel:

  • Beschwerde gegen Verfügungen:
    Innerhalb von 10 Tagen ab Kenntnisnahme kann eine Verfügung der Betreibungs- oder Konkursbehörde angefochten werden (Art. 17 Abs. 2 SchKG).

  • Beschwerde wegen Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung:
    Diese kann jederzeit erhoben werden (Art. 17 Abs. 3 SchKG).

Weiterziehung:
Wo kantonal vorgesehen kann innert 10 Tagen bei der kantonalen oberen Aufsichtsbehörde Beschwerde erhoben werden (Art. 18 SchKG). Deren Entscheid kann in den gesetzlich vorgesehenen Fällen nach den Regeln des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) ans Bundesgericht (Art. 19 SchKG) weitergezogen werden.

Fristen nach der Konkurseröffnung (Art. 232 SchKG)

Mit dem Entscheid des Gerichts über die Konkurseröffnung (Art. 232 SchKG) beginnt das eigentliche Konkursverfahren. Ab diesem Zeitpunkt gelten verschiedene wichtige Fristen – abhängig davon, ob das Verfahren summarisch oder ordentlich durchgeführt wird.

Durchführungsbegehren (Art. 230 SchKG)

Nach Art. 230 SchKG wird das Konkursverfahren mangels Aktiven eingestellt, wenn innert 20 Tagen nach der entsprechenden Publikation im SHAB kein Begehren um Durchführung des Verfahrens gestellt und die Kostendeckung sichergestellt wird.

Eingabefrist für Forderungen (Art. 232 Abs. 2 SchKG)

Die Frist zur Anmeldung von Forderungen wird durch das Konkursamt im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) bekannt gemacht. Die gesetzliche Eingabefrist beträgt in der Regel 30 Tage ab Publikation.

💡Forderungen können auch nach Ablauf der Eingabefrist bis zum Schluss des Konkursverfahrens angemeldet und kolloziert werden. Verspätete Gläubiger müssen jedoch bereits getroffene Beschlüsse, Abschlagszahlungen und Verteilungen hinnehmen, die nicht rückgängig gemacht werden. Selbst nach vollständiger Verteilung kann eine späte Anmeldung sinnvoll sein, etwa um die Ausstellung eines Verlustscheins (Art. 265 SchKG) oder Ansprüche bei nachträglich entdeckten Vermögenswerten (Art. 269 SchKG) zu wahren.

Anmeldung und Bestreitung von Forderungen

Ein zentraler Aspekt im Konkursverfahren ist die Behandlung der Forderungen:

  • Forderungsanmeldung:
    Gläubiger müssen ihre Forderung innerhalb der im SHAB bekanntgegebenen Frist schriftlich anmelden, inklusive Belegen (Art. 232 SchKG).

  • Bestreitung von Forderungen:
    Nach öffentlicher Auflage des Kollokationsplans (Art. 249 SchKG) können Gläubiger innert 20 Tagen Einsprachen gegen die Zulassung eigener und anderer Forderungen erheben (Art. 250 SchKG).

Weitere wichtige Fristen aus dem SchKG

Auch im weiteren Verlauf des Verfahrens gelten zahlreiche Fristen, die juristische Mitarbeitende im Blick behalten sollten:

Quelle: eigene Darstellung

Praktische Tipps zur Fristenkontrolle

Um Fristversäumnisse zu vermeiden, empfehlen sich folgende Massnahmen:

  • Digitale Fristenüberwachung:
    Nutze Fristenmanagement-Software oder Kalenderlösungen mit Erinnerungssystemen.

  • Regelmässiger SHAB-Abgleich:
    Die meisten wichtigen Fristen werden im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) publiziert – ein täglicher Blick lohnt sich. Es macht aber auch Sinn ein Such-Abo mit spezifischen Stichwörtern einzurichten.

  • Sofortiges Handeln bei Zustellungen:
    Fristen beginnen oft mit der Zustellung, nicht erst mit dem Öffnen der Post.

  • Anwaltliche Unterstützung bei Unsicherheit

Zusammenfassung der wichtigsten Fristen

Quelle: eigene Darstellung

Die Rolle der Konkursverwaltung

Die Konkursverwaltung spielt eine zentrale Rolle bei der Einhaltung der Fristen im Konkursverfahren (Art. 230 ff. SchKG). Sie ist verantwortlich für:

  • Die ordnungsgemässe Publikation der Konkurseröffnung

  • Die Entgegennahme und Prüfung der Forderungsanmeldungen

  • Die Durchführung des Kollokationsverfahrens

  • Die Einhaltung aller verfahrensrechtlichen Fristen

Konsequenzen bei Fristversäumnis

Die Konsequenzen bei Fristversäumnis können schwerwiegend sein:

  • Für Gläubiger: Bei verspäteten Forderungsanmeldungen besteht die Gefahr, dass Beschlüsse über die Konkursmasse schon getroffen und Abschlagszahlungen bereits vorgenommen wurden.

  • Für die Konkursverwaltung: Fristversäumnisse können zu Haftungsansprüchen führen und die Wirksamkeit von Verfahrenshandlungen in Frage stellen.

  • Für das Verfahren insgesamt: Fristversäumnisse können zu Verzögerungen und zusätzlichen Kosten innerhalb des Konkursverfahrens führen.

Fazit

Fristen sind das Rückgrat des Konkursverfahrens. Wer sie kennt und beachtet, schützt Verfahrensrechte und sorgt für einen reibungslosen Ablauf. Besonders im Umgang mit Gläubigern und Konkursämtern ist es entscheidend, dass wir als Paralegal genau wissen, wann welche Schritte zu setzen sind.

Die konsequente Fristenkontrolle gehört zu den zentralen Aufgaben in der Praxis. Wo Unsicherheiten bestehen, empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit spezialisierten Anwälten oder Konkursverwaltern. Denn: Ein versäumter Termin kann im Konkursverfahren erhebliche finanzielle und rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Die strikte Einhaltung der Fristen ist nicht nur eine rechtliche Pflicht, sondern auch eine Frage der wirtschaftlichen Vernunft. In der Praxis empfiehlt es sich, bei Unklarheiten im Konkursverfahren stets professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen und ein sorgfältiges Fristenmanagement zu betreiben. Nur so lassen sich die Rechte aller Beteiligten optimal wahren und die mit Konkursverfahren verbundenen Risiken minimieren.

Das schweizerische Konkursrecht mag komplex erscheinen, aber mit der nötigen Vorbereitung und professionellen Unterstützung lassen sich auch schwierige Situationen erfolgreich bewältigen. Die Kenntnis der relevanten Fristen ist dabei der erste und wichtigste Schritt.

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Die Geschichte des Paralegal-Berufs und der eidgenössischen Berufsprüfung in der Schweiz

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